„Denn in den Kindern lebt unsere Seele weiter“ – Für meinen treuesten Fan
Seit wir in Neuseeland sind, habe ich immer gehofft, mit der Maori-Kultur in Berührung zu kommen. Am liebsten natürlich mit der echten Maori-Kultur und nicht mit den kommerziellen Angeboten, die in so vielen Orten angepriesen werden – inkl. Maori-Tanz in traditioneller Tracht und Teilnahme am gemeinsamen Hangi-Essen.
Wir hatten das große Glück im Norden Neuseelands gleich auf zwei ganz unterschiedliche Weisen mit maorischer Kultur in Kontakt zu kommen.
Zum einen nahmen wir an einem Tauch-Ausflug mit maorischen Jugendlichen in Tutukaka teil. Ein Programm für Maori-Jugendliche mit bisher schwierigem Leben bietet unterschiedliche Aktivitäten an, um diesen jungen Leuten neue Perspektiven aufzuzeigen. Eine dieser Aktivitäten ist Tauchen. Und so waren wir auf dem Boot mit ca. 30 Jugendlichen und Tauchlehrern. Für einige war es ein Tauchgang zur Erweiterung bisheriger Fähigkeiten (z.B. ein Tieftauchgang bis zu 30 Metern), für andere war es der allererste Tauchgang und auch der erste Besuch in Tutukaka – denn die meisten Jugendlichen kamen aus weiter entfernten Orten. Die Stimmung war entsprechend ausgelassen und fröhlich. Alle spielten mit Valerie und fanden es ebenso spannend wie wir, uns gegenseitig kennenzulernen. Dieser Tag war unsere Möglichkeit, die neue Maori-Kultur kennen zu lernen. Diejenige, die stärker in der Gegenwart verwurzelt ist als in alten, traditionellen Lebensweisen und somit unterschieden sich die Jugendlichen in ihrer Art und Umgangsweise kaum von Jugendlichen in anderen Teilen der Welt.
Zum anderen hatten wir aber auch das Glück, die traditionelle Maori-Kultur kennenzulernen. In Cable Bay haben wir per Airbnb-Zufall bei einer Maori-Familie gelebt, welche die Maori-Traditionen pflegt und sogar unterrichtet. Wie es dieser Zufall eben wollte, gab es gerade einen 6-Monatskurs in maorischer Heilkunde und an dem Wochenende, an dem wir ebenfalls in Cable Bay waren, fand eines dieser Seminare statt. Aktueller Schwerpunkt war – wie hätte es auch bei unserem persönlichen Unterwasser-Fotografen anders sein können – die Bedeutung des Meeres. Als wir am Nachmittag zur Gruppe dazustießen, standen die Gruppenteilnehmer bereits an einem der schönsten Strände der Halbinsel Karikari – am folgenden Tag mussten wir einfach zurückkommen und diese wunderbare Bucht genießen.
Peter, unser Gastgeber und in seinem Maori-Stamm hoch angesehener Medizinmann, erklärte gerade, dass alle Algen in dieser Gegend essbar seien und frisch oder getrocknet als Salat zubereitet würden. Eine weitere, meterlange Alge hatte er zudem mitgebracht, die nur an der Westküste wächst. Diese wird ebenfalls getrocknet und dient anschließend dazu, in ihr Fische zuzubereiten. Dazu wir diese schlauchartige Alge aufgeschnitten, der Fisch hineingelegt und anschließend gebraten oder gegrillt. Der glibberige Wachs der Alge wird als Haarkur genutzt. Überhaupt wird in der naturnahen Maori-Kultur versucht, alles zu nutzen – eben nicht nur die Alge als solche, sondern alles, was mit der Alge zusammenhängt. Dies gilt beispielsweise auch für den Seeigel. Der Seeigel selbst wird zu einem Salat verarbeitet. In seiner Schale allerdings verbirgt sich eine Mini-Pinzette. Diese ist besonders dann hilfreich, wenn man sich beim Sammeln der Seeigel einen ihrer Stachel zugezogen hat.
Ein weiterer maorischer Medizinmann zeigte uns, wie man aus Blättern, die nach Zitrone dufteten, eine Salbe herstellen kann, die Schmerzen lindert und Falten glättet.
Unser absolutes Highlight des Tages war eine eigens für uns durchgeführte zeremonielle Aufnahme in den Maori-Stamm. Ruija – eine maorische Frau – rief uns mit maorischen Liedern in das Marae. In Maori-Tradition schritten Valerie und ich vorne weg und Marcel – als Krieger und Beschützer – ging hinter uns. Im Haus angekommen warteten bereits weitere Maori auf uns. Abwechselnd wurde von einem Mann etwas auf Maori vorgetragen und anschließend von einer Frau auf Maori gesungen, wobei alle in den Gesang einstimmten. Als letztes wurden auch wir gebeten, etwas vorzutragen und zu singen. Marcel stellte uns und unsere Reise auf Englisch vor. Anschließend sangen wir beide das polnische Geburtstagslied „100 lat“, da Teresa, unsere Gastgeberin, nicht nur das alles für uns ermöglicht hatte, sondern es zudem ihr Geburtstag war. Der sich anschließende Austausch über unsere unterschiedlichen Kulturen und Werte war sehr bereichernd. Ähnlich wie in der polnischen Kultur, hat auch in der Maori-Kultur die Familie – verstanden als Großfamilie mit allen Familienmitgliedern egal welchen Grades – einen hohen Stellenwert. So ist es z.B. auch selbstverständlich, dass sich der Erwachsene, der gerade am nächsten zu einem krabbelndem Baby ist, um dieses kümmert. Valerie fand das großartig und hat es wahrscheinlich eher als wir geschafft, mit jedem Maori an diesem Tag in Kontakt zu kommen und zu begeistern.
Besonders berührend war für uns die Antwort auf die Frage wie in der Maori-Kultur das Leben nach dem Tod aussieht. In der Maori-Kultur lebt die Seele in den Kindern weiter. Bereits mit Geburt geht ein Teil der Seele von Mutter und Vater auf das Kind hinüber und wächst dort mit den Jahren, bis er beim Tod von Mutter und Vater vollständig im Kind weiterlebt.
Zum Abschluss der Zeremonie begrüßten wir jeden Anwesenden persönlich mit dem traditionellen Hongi (Berührung von Nase an Nase). Das Hongi ermöglicht es beiden Seelen, sich in der Atmung zu berühren. Gleichzeitig begegnen sich nicht nur die zwei Gegenwarts-Seelen, sondern auch alle Seelen der jeweiligen Vorfahren – da sie ja in den jeweiligen Kindern weiterleben. Somit bedeutet Hongi auch Wiedervereinigung mit allen Seelen – bis hin zu einer gemeinsamen Ursprungsseele.
Es war eine sehr berührende Zeremonie und wir schätzen uns sehr dankbar – nicht zuletzt aufgrund unserer Airbnb- und damit Gastgeberwahl – in die Maori-Kultur aufgenommen worden zu sein.
Kia ora! Dankeschön!