Am anderen Ende der Welt

Neuseeland ist von Deutschland aus betrachtet das wohl am weitesten entfernte Land, das man sich aussuchen kann. Wenn man ein Loch von unserem Wohnort Berlin durch die Erde buddeln könnte, käme man in Neuseeland – bestimmt in Auckland, dem Ausgangspunkt unserer Reise – an. 
Damit muss es zusammenhängen, dass hier alles verdreht ist. Nein, die Menschen stehen nicht auf dem Kopf, aber uns dreht sich ganz schön der Kopf, denn es herrscht Linksverkehr – und dies gilt nicht nur für Straßen und Gehwege.


Die Autos fahren auf der linken Fahrseite und der Fahrersitz nebst Lenkrad sind rechts im Auto positioniert. Wie ein Neuseeländer meinte: Solange der Fahrer mittig auf der Straße fährt – und eben nicht rechts am Wegesrand – ist alles gut. Doch damit ist es nicht getan mit dieser verdrehten Welt. Irgendwie scheint alles auf dem gegenüber vom intuitiv vermuteten Platz zu sein: Der Wasserhahn für warmes Wasser – und ja, nach Tonga haben wir diesen Wassergriff sehr zu schätzen gelernt und unmittelbar nach unserer Ankunft in Auckland gefühlte Stunden heiß geduscht – befindet sich links; die Türschlösser öffnen sich mit einem Dreh entgegengesetzt dem Uhrzeigersinn. Die Pedale im Auto hingegen sowie die Anordnung der Scheibenwischer sind interessanter Weise wie aus Deutschland bekannt.


Der Regenbogen wiederum scheint von rechts nach links zu gehen. Zumindest war am rechten Ende des Regenbogens, der plötzlich auf der Wiese vor uns endete, kein Pot voll Gold – nichtsdestotrotz war es unglaublich tatsächlich das Ende bzw. den Anfang eines Regenbogens zu sehen!


Trotz dieser Wirrungen und Verdrehtheit ist es aber sehr leicht, sich in Neuseeland wohl und heimisch zu fühlen. Vielleicht liegt es an der grünen und sauberen Naturidylle, mit ihren kleinen Mittelerde-Hügeln und den zahlreichen Schafen, welche diese bevölkern. Vielleicht liegt es an der Ruhe und Gelassenheit, die man förmlich mit jedem Schritt einatmet. Vielleicht aber liegt es an den Neuseeländern selbst. Nie zuvor haben wir so zahlreich viele herzliche, freundliche und humorvolle Menschen kennengelernt – und das war nach der Erfahrung von Mala Island eigentlich schwer vorstellbar. Es scheint, als ob jeder Bewohner Neuseelands mit einem zusätzlichen Gen an Zuvorkommenheit bestückt ist. 


Dies erlebten wir bereits bei unserem ersten Berührungspunkt mit Neuseeland auf dem Flug mit Air New Zealand. Bei unserem Weiterflug von Hongkong nach Auckland wollten uns die chinesischen Kollegen nicht mit unserer Kraxe ins Flugzeug einsteigen lassen – wir hätten sie einchecken müssen. Kaum an der Maschine angekommen, begrüßte uns ein – insbesondere im Vergleich zum chinesischen Kollegen – stämmiger Neuseländer mit einem breiten Lächeln und versicherte uns im melodischen neuseeländischen Englisch, dass wir die Kraxe selbstverständlich mitnehmen können. Kurzerhand nahm er die Kraxe sogar selbst in die Hand, begleitete uns zu unseren Sitzen, verstaute unser Handgepäck und brachte uns Getränke und Snacks – ununterbrochen mit Valerie scherzend. Solche Begegnungen mit überwältig herzlichen Neuseeländern begleiten uns täglich: Sei es eine andere Mitarbeiterin von Air New Zealand, die uns auf unserem Flug nach Tonga darin unterstützte, unser Gepäck derart hin und her zu packen, dass unsere Zusatzkosten möglichst gering ausfielen. Und nicht nur die Mitarbeiter von Air New Zealand sind äußerst hilfsbereit. Regelmäßig werden wir auf der Straße, wenn wir auf unseren Reiseführer – oder unser Handy mit zahlreichen post-modernen Reise-Apps – schauen, gefragt, ob wir Hilfe bräuchten; an einem der vielen regnerischen Tage wurde uns kurzerhand von einer Frau ein riesiger Schirm geschenkt; jeder Neuseeländer, den wir im Mala Island Resort trafen, gab uns wie selbstverständlich seine Kontaktdaten und bot uns jederzeit seine Hilfe an und ein Neuseeländer am Flughafen in Tonga teilte mit uns sogar seine liebste Reiseroute durch Neuseeland, organisierte uns eine äußerst günstige Urlaubswoche in seinem Ferienhaus im Norden von Neuseeland und lieh uns seine umfassende Campingausrüstung, die wir zum Start unseres Roadtrips dankbar in Auckland entgegen nahmen. Und überhaupt scheint sich jeder Neuseeländer, den wir treffen, sehr darüber zu freuen, dass wir uns drei Monate Zeit nehmen, dieses wunderbar diverse Land zu erkunden – und nicht nur 4-6 Wochen wie die meisten Touristen – und nennt uns Sehenswürdigkeiten, die wir nicht missen sollten.


Das andere Ende der Welt hat uns völlig eingenommen und wir sind ganz gespannt auf all die Abenteuer, die uns hier erwarten.

Kia ora Aotearoa – Willkommen Neuseeland